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  • AutorenbildKatharina Siebert

Perfektion schwächt Lebensfreude

Aktualisiert: 14. Nov. 2022

Ein Hoch auf die Backmischung

Mein Mann und ich geben uns gefühlt derzeit "die Klinke in die Hand". Jeder von uns ist viel unterwegs und wir kommen in den Genuss viel "Alleine-Zeit" mit den Kindern zu haben. Das ist herrlich und anstrengend.


Letzte Woche war so eine Woche. Ich war von Mittwoch bis heute alleine mit den Kids. Schön. Manchmal läuft dann alles viel entspannter. Keine Absprachen, keine Präferenzen welches Elternteil gerade welche Socke anziehen soll. Einfacher irgendwie. Manchmal.


Dann stellten wir am Anfang der Woche fest: Thomas hatte den Joker gezogen.

Vor mir lagen:

  • 2 St. Martinsumzüge,

  • eine Kindergeburtstagsfeier vom Kleinen,

  • ein zu versorgender Gasthund,

  • meine Arbeit und

  • natürlich der Alltag mit Einkaufen, Wäsche, Schwimmunterricht und Arzttermin.

"Wahnsinn" dachte ich. Ich war ein bisschen neidisch. Also ziemlich neidisch. Im positivsten Sinne. Seine Termine standen ewig viel länger fest und die Woche kumulierte sich zum reinsten Happening. Und das ist Nichts, was mir liegt, oder was ich gerne mag. Einfach "ZU VIEL":


- zu viel Termine

- zu viele Menschen

- zu viel Lautstärke

- zu überdrehte Kinder

- zu viel Durcheinander

- zu viel Verantwortung

- zu viel von Allem.


Was genau war da zu viel? Warum komme ich so in den Stress? Es gibt doch "nur" mich und die Jungs. Und hey - wir kennen uns. Wir wissen um unsere Macken. Warum also dieser Druck, diese Anspannung, dieser "gefühlte" Stress?


Ich habe es gerne übersichtlich. Ich mag es klar und "zu viel" ist einfach nicht Meins. Das erzeugt mir zu viel Durcheinander und "Durcheinander" ist weit weg von meinem Perfektionsanspruch. Also war mir klar, ich "MUSS" Druck raus nehmen. Doch wie gelingt Einem das, wenn man gerade schon "voll drin" ist? Wenn das System schon arbeitet?


Ich begann die "Unperfekt-Woche". Und das klingt banal, angesichts der Tatsache, dass ich nur mit meinen Kindern alleine war. Das bin ich oft. Das ist überhaupt kein Problem. Weder zuhause noch im Urlaub. Ich mag das. Aber dieses Mal waren es mir einfach zu viele Termine, zu viele Kinderaugen, die Erwartungen hatten, zu viele Stimmen im Kopf, die mir zuflüsterten, wie es sein sollte. Und dann begann ich die Stimmen in meinem Kopf langsam von meinem Gefühl zu entzerren und "NEIN" zu sagen. Es geht doch nur um mich. Niemanden da draußen interessiert das, wie scheinbar perfekt oder unperfekt unsere Woche läuft:


1. Ich habe dieses Jahr NICHT die Laternen der letzten 6 Jahre aus dem Keller geholt und an Lichterketten in die Fenster gehangen für den St. Martinsumzug unserer Schule. Vielleicht nächstes Jahr wieder. Dieses Jahr nicht. Schön sah es aus in der Nachbarschaft. Ich liebe das. Bei uns hängt ein Stern, den ich bis Weihnachten hängen lassen kann ;).


2. Ich habe ein Schild an die Tür gemacht, dass ich NICHT möchte, dass die Kinder für St.Martin klingeln. Ich habe einfach eine Schüssel mit Bonbons vor die Tür gestellt. Meine Kinder waren eh "durch". Wir wollten Kuscheln und Schlafen.


3. Am nächsten Tag, beim nächsten Umzug, habe ich die Jungs einfach laufen lassen. Ich habe NICHT auf die Uhr geschaut und überlegt, was das jetzt alles nach sich ziehen kann. Auch, also wir um 19:30 Uhr zuhause ankamen (da liegen die beiden sonst für gewöhnlich im Bett und der Kleine pennt). KEIN Blick auf die Uhr, KEIN innerer Stress und tatsächlich kein Müdigkeitszusammenbruch, sondern ein friedliches Einschlafen.


4. Freitag ging es zum Arzt, zum Schwimmen und dann gab es die ultimative Kindergeburtstagsvorbereitung: Raus mit der Backmischung, alles in Kinderhand (der Große kann ja lesen) und lediglich dem Zuckerguss ein Hauch Farbe gegeben. Zugegeben: Der Kleine hatte sich eine Piratentorte gewünscht. Klar hat er das. Darunter geht ja auch heute an vielen Geburtstagen nicht mehr. Und das ist ja auch total schön und absolut legitim. Würde ich mir vielleicht auch wünschen. Aber:


"WAS WIR UNS WÜNSCHEN IST NICHT IMMER DAS, WAS WIR BRAUCHEN." (Jesper Juul)


Das war mein Mantra ;). Fritz brauchte eine Mama, die sich mit ihm freut. Die Kapazitäten hat für seine Energie, seine Aufregung, unser Wochenende. Was er nicht brauchte war eine Mutter, die die perfekte Fondanttorte backt, die nachher niemandem schmeckt. (Sind wir mal ehrlich).


Ich habe NICHT die Piratentorte gebacken. Er bekam bunte Muffins, die er selbst zubereitet hat für seine Freunde und er bekam eine entspannte Mutter, denn der Geburtstag am nächsten Tag ging so weiter: Die beiden Jungs haben die Kindertüten für die Schatzsuche selbst gebastelt, ich habe mir von einer Freundin am Telefon "on the fly" Ideen für eine Schnitzeljagd geben lassen und das Beste: Wir haben in unserer Kita gefeiert. Alles da. Alles kindgerecht. Alles easy. Während die 5 Gastkinder und meine Jungs bastelten (wir hatten Klorollen, Stifte, Washi-Tape und bunten Karton mitgebracht) habe ich tatsächlich ENTSPANNT KAFFEE GETRUNKEN und danach ging's raus zum Schatzsuchen und Toben.


5. Ich habe mir KEINE Pinterestwände angeschaut, habe KEINE Bastelvorlagen zur Hand gehabt, habe KEINE Zeit dafür aufgewendet alles perfekt vorbereitet zu haben.


Heute gab es den PERFEKTEN Wochenabschluss:


6. Wir waren in der Weihnachtsausstellung im Gartencenter. (Wir haben noch nicht mal Advent, ich hasse Weihnachtsmänner im Supermarktregal im Oktober, aber es war soooo schön die Jungs dabei zu beobachten). KEINE Stimme im Ohr, dass mir flüstert: "Echt jetzt? Weihnachtsshopping? Geh lieber raus! Ist viel gesünder, ist viel mehr was weiß ich."


7. Danach gab es noch immer keine frische Luft, aber den PERFEKTEN ;) selbstgemachten Apfelcrumble, dazu ein Sektchen mit meiner Freundin und abends Suppe aus dem Glas.


Ein sooo schöner, passender Abschluss :)


Warum ich das heute Schreibe? Weil das bei mir nicht immer so war. Ich bin ein sehr angetriebener Mensch. Das hat viele Gründe und es dient mir oft: Ich habe einen schier unendlichen Motor. Und genau so groß wie mein Motor ist auch mein Antreiber: "Ist es wirklich gut genug?" Und damit meine ich nicht Leistungen wie Schule, Studium, Job. Ganz ehrlich: ich war eine unfassbar faule und schlechte Schülerin. Im System Schule lag sicherlich nicht mein Talent.


Dieser Antreiber, es perfekt machen zu wollen, kam viel später. Wahrscheinlich erst so richtig, als wir Kinder bekamen und wir uns auf die Suche nach Orientierung machten. Als sich der Blick nach Außen viel mehr öffnete. Und unweigerlich bleibt man eher bei den schönsten Pinterest und Insta-Momenten hängen und fragt sich: "Muss ich das jetzt auch so machen? Ist das jetzt gesellschaftlicher Konsens?"


Wir optimieren uns ins Unermessliche (das hat viele Vorteile - versteht mich nicht falsch). Wir vergleichen, suchen Orientierung, wo es uns heutzutage gesellschaftlich oft an Orientierung und Halt fehlt, wir sind immer im Außen (Insta, TikTok, der Kindergeburtstag der Nachbarin, der Einkaufswagen neben uns, der Vorgarten im Viertel, der lässige Vater vor der Kita, usw. usw.). Dabei BEKÄMPFEN wir DIE GANZE ZEIT UNS SELBST. Das einzige das bleibt ist das ewig schlechte Gewissen nicht zu reichen, es nicht perfekt gemacht zu haben.


So kommen wir nicht ins SELBSTGEFÜHL. Und das ist doch zentral im Umgang mit uns selbst und unsere Nächsten.

  • Wer bin ich WIRKLICH?

  • Was will ich WIRKLICH?

  • Wer bist du WIRKLICH?

  • Was willst du WIRKLICH?

Mittlerweile gibt es ja zum Glück etliche Kanäle auf denen wir sehen können,

  • dass wir alle nur Luft atmen,

  • Fehler machen,

  • es neu versuchen und

  • Lernen.

Wie gut! AUCH DAS gesellschaftlicher Konsens. Heutzutage gibt es einfach sehr viele unterschiedliche Angebote und die Kunst scheint darin zu bestehen, BEI SICH zu bleiben. Mit sich selbst in Verbindung zu sein. Das klingt sehr einfach. Das ist es nicht. Das erlebe ich täglich in meiner Praxis. Den eigenen Bedürfnissen nachzuspüren, sich abzugrenzen, "NEIN" zu sagen. Das ist nicht immer leicht. Aber man kann es (wieder) lernen. Als Kinder wussten wir das nämlich meist ganz gut.


Ich habe mich dies letzten 5 Tage immer wieder bewusst aus der Meta-Perspektive betrachtet. Das hat mir geholfen, mit mir selbst in Kontakt zu bleiben:

  • Wie fühle ich mich gerade?

  • Wo bin ich angespannt?

  • Was macht mein Kiefer?

  • Hängen meine Schultern, oder umklammern sie schon meine Ohren?

  • Bin ich hier im Augenblick oder rennt mein Kopf 5 Schritte voraus?


Immer, wenn wir "NEIN" zum Außen sagen, zu unseren destruktiven Stimmen, dann sind wir genau in dem Moment, wo wir MIT UNS SELBST IN VERBINDUNG kommen. "Ein "NEIN" zum außen ist immer ein "JA" zu uns selbst." Auch das sagte Jesper Juul mal und dieser Satz begleitet mich, seitdem ich ihn zum ersten Mal las.


Ich wünsche mir, dass wir in solchen Momenten mutig nach Innen schauen:

  • Woher kommt der Stress, die Anspannung gerade?

  • Was tut er/sie für mich?

  • Woran hindert er/sie mich?

  • Warum der Anspruch es perfekt zu machen?

  • Für wen?


WAS IST DAS SCHLIMMSTE, DAS PASSIEREN KANN? Also ehrlich jetzt: WAS IST DAS SCHLIMMSTE, WAS PASSIEREN KANN?


Das wollte jetzt raus. Fertig. 22:00 Uhr. Gleich kommt Thomas wieder. Schön. So viel zu erzählen.


Wenn ihr Lust habt, mehr darüber zu erfahren, wie ihr die Perfektion und das ewig schlechte Gewissen zum Schweigen bringen könnt, sprecht mit eurer Schule, oder eurer Kita und wir gestalten einen Elternabend bei euch. Oder ihr kommt in unsere Eltern-Coaching-Gruppe (Start im Januar noch wenige Plätze), oder ihr kommt einfach mal ne Stunde ins ZFE :)


Herzliche Grüße,

Katharina


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